Schläfst du noch…? Wie weit ist der Tourismus in Bezug auf Content Strategie?

Ich relativiere häufig die Online-Affinität meiner Branche. Ob ich ihr damit Unrecht tue?

Unter den #COSis fühle ich mich häufig wie ein ganz kleiner Player. Immerhin arbeiten viele in namhaften Konzernen mit ganz anderen Strukturen, als ich es gewohnt bin. Wenn von Interessenskonflikten zwischen Sales, Marketing und Content Strategie gesprochen wird denke ich mir einerseits – „wie schön, das vereine ich alles in meiner Person und brauche mit keinem anderen als mir selbst zu streiten“ – andererseits bedeutet das für mich (neben den daraus resultierenden, leicht schizophren anmutenden Selbstgesprächen) natürlich häufig, mich zwei-, drei- oder mehrzuteilen zu versuchen und am Ende des Tages das Gefühl zu haben, alles nur „so halb“ erledigt zu haben. Außerdem kann meiner Meinung nach ein gesunder Diskurs zwischen den unterschiedlichen Interessensgruppen ja auch zu verbesserten Ergebnissen führen! Da sich daran im Hotel auch zukünftig nichts ändern wird (fast hätte ich „wenig“ statt „nichts“ geschrieben, meines Hangs zu gängigen Formulierungen zuliebe…) heißt es, das Beste daraus zu machen. So wie ich es gefühlt in jedem zweiten meiner Posts erwähne 😉

Doch oft habe ich das Gefühl, im Tourismus zumindest nicht alleine damit zu sein, denn das operative Geschäft verbraucht in unserer Branche generell einen Großteil der sich durch die sparsamen Strukturen ohnehin schon nahe an der Belastungsgrenze befindlichen Manpower. Einige Online-Auftritte lassen mich jedenfalls zu dem Schluss kommen, dass nicht nur in meinem Betrieb die Ressourcen für Online-Themen äußerst begrenzt sind. Von einem Hobbykochmagazin bekomme ich regelmäßig einen Newsletter, dessen Layout stark an die 90er erinnert – ist die Grundlage dafür eine publikumsgerechte Ansprache oder eher ein Ressourcenmangel? Von einem bahnaffinen Reisemagazin wiederum erhalte ich zum Beispiel seit Monaten ebenfalls einen, in diesem Fall gar nicht so schlechten, Newsletter – allerdings immer mit derselben Headline! Funktioniert die so gut, dass es keinen Grund gibt sie zu ändern, oder gibt es im Unternehmen nur einfach niemanden, der die Zeit und/oder das Know-How hätte, über eine Veränderung nachzudenken!? Eine deutsche Studie (verfügbar unter https://www.etracker.com/fileadmin/redakteure/pdf/whitepaper/Studienband_V11.pdf) zeigt, dass in mehr als 70% der befragten Unternehmen entweder Zeit- oder Know-How Mangel die Gründe dafür sind, dass aus Webanalsye-Maßnahmen keine Optimierungsmaßnahmen abgeleitet werden. Ich wage zu behaupten, dass sich das Bild im Tourismus noch viel markanter darstellt…

Ganz drastisch stellt es Michael Buller, Vorstand des Verband Internet Reisevertrieb in seinem Interview in der tip vom 9.2.2015 dar: Laut ihm fehlt in der Reisebranche gar die Not, der Mut und das Verständnis für die Digitalisierung. Auch Michael Mücke, Chef von Accor Deutschland, findet im Interview mit dem HRS checkin Magazin 04/2015 wenig schmeichelhafte Worte: „Die Hotellerie ist überhaupt kein Innovationstreiber. Alles, was wir heute sehen, kommt aus der Technologiebranche – bis hin zum Vertrieb. Alles andere entspricht eher der Steinzeit.“

Andererseits gibt es natürlich auch Wiener Hotels, die mit authentischem Content tolle Google Rankings erzielen und natürlich die großen Ketten mit beneidenswertem Design (wenn auch teils mauem Content). Mir kommt es jedoch weitgehend so vor, als wären weite Teile des Tourismus noch im Dornröschenschlaf. Viele Vorgehensweisen sind über Jahrzehnte gelernt und kaum je adaptiert worden, Veränderungen scheut man häufig aus Kostengründen oder unter dem Vorwand, Stammgäste nicht irritieren zu wollen. Häufig sind die Aktivitäten jedoch längst nicht mehr zielführend, weil längst abgenutzt. Ein klassisches Beispiel ist in meinem Alltag der unaufgeforderte Besuch bei Kunden. Ich empfinde es als störend, wenn jemand (egal ob er mir etwas verkaufen oder abkaufen will) unangekündigt ins Hotel kommt und nach mir fragt und gehe davon aus, dass es bei meinen Kunden ähnlich ist… Wie viel mehr an positiven Erinnerungen könnte ich beispielsweise mit der Verbereitung netter Rezeptideen aus der Feder unseres Küchenchefs erreichen?

Beim Networking des Travel Industry Club im April 2015 stellte Gregoire Landreau von Accor einen interessanten Vergleich her: Er verglich eine Tripadvisor Bewertung mit dem Statement eines Gastes an der Rezeption. Auf diese Situation umgemünzt wäre es so, als wolle der Gast eine Antwort und hinter ihm stünden noch 100 weitere Gäste, die zwar nicht fragen, aber die Antwort dennoch zur Kenntnis nehmen. Damit zeigt er die enorme Relevanz des Online-Auftrittes von Hotels wohl für jedermann einleuchtend auf.

Persönlich bin ich der Meinung, dass realistischerweise in einer der lohnschwächsten Branchen nicht zu erwarten ist, dass in neue, quasi noch unerforschte Bereiche wie „Content-Strategie“ Unmengen investiert werden. Woher auch nehmen, ohne an anderer Stelle einzusparen? Die Bettenzahl in Wien wächst unaufhörlich, meist gewinnt jener der im Preiskampf vorne dabei ist (zumindest die Buchung, wenn auch nicht den längerfristigen Überlebenskampf). Doch ich bin überzeugt, dass moderne Konzepte in Zukunft vorne dabei sein werden – nicht nur, weil ich an die Zukunftsträchtigkeit von gutem Content glaube, sondern weil Mit-der-Zeit-gehen eine wichtige Überlebensstrategie ist. Und damit meine ich nicht nur junge Konzepte, sondern auch und insbesondere traditionelle Betriebe – hier gilt es, eine authentische Möglichkeit zu finden, ein traditionelles Produkt mit einem zeitgemäßen Auftritt zu verbinden. Zu erzählen gibt es genug, ich halte Urlaub und Kulinarik für äußerst dankbare Themen. Vorzeigebeispiele gibt es schon vereinzelt – es bleibt zu hoffen, dass sie sich in Zukunft vermehren! Dann werde ich den anderen #COSis mit Stolz von der innovationsfreudigen Tourismusbranche erzählen 🙂

Foto: FreeImages.com/Sarah Bleckmann.

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